Eine maritime Whiskygeschichte von Bernd Kirchner

Die ruhmlose Geschichte eines Wracks an der Küste Islays

Eine maritime Whiskygeschichte über ein Wrack eines Trawlers erzählt Euch heute der maritime Maler Bernd Kirchner, der auch gelegentlich gern Geschichten schreibt. Folgt ihm heute in einer Erzählung in 5 Akten nach Schottland.

Eine maritime Whiskygeschichte – Die ruhmlose Geschichte eines Wracks an der Küste Islays

Nahe der Bunnahabhainn- Distillery an der Ostküste Islays liegt das verrostete Wrack eines Trawlers. Das Vorschiff ist seit einigen Jahren gänzlich versunken, das Ruderhaus über die Backborseite abgekippt, ragt noch zur Hälfte aus dem Wasser. Das Achterschiff wird wohl auch in einigen Jahren verschwunden sein. Doch wieso liegt dieses, zur Zeit des Unglücks gerade einmal 18 Jahre alte Schiff, dort auf Grund ? Wie kommt ein Schiff in die Felsen von Rubh`A` Mhail ?

Dies zu ergründen, lade ich den geneigten Leser dazu ein, mir in Gedanken auf die Reise nach Oban zu folgen. Möge er sich bei einem Glas schottischen Whisky der Geschichte der Wyre Majestic in 3 Akten widmen.

Erster Akt – Fischereihafen Oban

Foto: Auf nach Schottland

Wir schreiben den 18. Oktober des Jahres 1974. Die beiden Trawler „Wyre Defence“ und „Wyre Majestic“ haben soeben ihre Fänge der vergangenen Reise, an der Pier des Fischereihafens gelöscht. Es ist geplant, das Wochenende über mit kleiner Mannschaft in Oban zu liegen. Der überwiegende Teil der Crew fährt mit Bussen über Land zurück nach Fleetwood, dem Heimathafen der beiden Schiffe. Der 1.Maat und der Bootsmann der Majestic  gehen von Bord und begeben sich indes in ein nahegelegenes Pub. Es ist 13 Uhr. Die beste Zeit für einen Drink, denke ich. Folgen wir den Beiden. Begeben wir uns bis zum Schließen des Pubs um 14:30 in ihre illustre Gesellschaft.

Zweiter Akt – Public House  zu Oban

Das Lokal ist gut besucht. Die Stimmung nach erfolgreicher Fangfahrt fröhlich. Unsere beiden Freunde Maat und Bootsmann ordern jeder „a pint of Guinness“.  Sie unterhalten sich mit anderen Fischern über das Wetter, die am Wochenende stattfindenden Fussballspiele und ordern das nächste pint. Was in der folgenden Zeit geschieht, beschreiben John Nicklin und Pat O`Driscoll  in ihrem Buch „Trawler Disasters“ faktisch und ohne jegliche Prosa. Sie geben den Teil der späteren Untersuchungsergebnisse wider, der sich auf die konsumierte Menge stimulierender Getränke in den nächsten 1 ½ Stunden bezieht. Diesem Bericht zufolge trinkt der Maat „in moderation“ – moderat also. Was auch immer das heißen mag. In keinem Fall ist es aber eine exakte Mengenangabe. Genaueres lässt sich da schon über den Durst des Bootsmanns berichten. Er genehmigt sich 3-4 pints of Guinness und ebenso viele Whisky. Man hat ja auch eine Fangfahrt in den Knochen und außer der Koje sonst auch weiter nichts mehr vor. So die Annahme der beiden Seemänner. Doch weit gefehlt.

Dritter Akt – Ruderhaus der Wyre Defence

Die Kapitäne der beiden Trawler drahten unterdessen mit der Reederei, denn zwischenzeitlich ist klar geworden, dass über das Wochenende keine Liegeplätze zur Verfügung stehen werden. Man entscheidet schließlich die beiden Trawler mit der verbliebenen Mannschaft die Küste entlang nach Fleetwood zu verlegen. Als die Landgänger zurück sind, legt man ab. Es ist jetzt 15:10 Uhr.

Vierter Akt – Ruderhaus der Wyre Majestic

Die Wyre Defence  fährt als Führungsschiff vorweg, dicht gefolgt von der Wyre Majestic, wobei der der 1.Maat am Ruder steht. Das ist in sofern kein Problem, da er ja bis vor einer Dreiviertelstunde „moderat“ getrunken hat. Außerdem besitzt er ja auch ein Steuermannspatent. Auch der Skipper ist im Ruderhaus zugegen. Die Schiffe haben gerade den engen Kerrera Sound passiert.  Es ist jetzt 18 Uhr. Die Wache des Maats endet. Maat verlässt die Szene. Der aufziehende Wachführer sollte der durch geistiges Getränk stimulierte Bootsmann sein. Dieser ist jedoch nur unter Mühen zu wecken und unter noch mehr Mühen in das Ruderhaus zu bewegen. Daher übernimmt der Decksmann Falcon zwischenzeitlich das Ruder. Der Skipper erteilt Order über den zu steuernden Kurs. Decksmann Falcon erhält außerdem die Weisung, den Kapitän unverzüglich zu wecken wenn man in den Bereich des Radarechos von Rubh`A`Mhaill gelangt.

Eine maritime Whiskygeschichte – Fünfter und letzter Akt

Foto: Finale

Nun beginnt der letzte Akt des Dramas. Der Bootsmann Tom Sillis, der anstatt eines Patents lediglich ein Befähigungszeugnis der Fischereibehörde sein eigen nennt,  betritt die Szene. Er übernimmt sowohl Ruder wie auch die durch den Skipper erteilte Anweisung von Deckshand Falcon. Gegen 19:00 meldet sich Skipper Tom Watson von der Defence  über Funk. Ob er bereits Unstimmigkeiten in Bezug auf den Kurs der Majestic bemerkte, ist nicht überliefert.

Auf die Beteuerungen des Bootsmann Sillis, alles sei in bester Ordnung, verlangt er jedoch umgehend den Skipper der Majestic zu sprechen. Diese Weisung ignoriert Bootsmann Sillis ebenso vehement wie die ergangene Order, den Skipper zu wecken, obwohl er sich schon einige Zeit im Bereich des Radarechos befindet.  Auch die Tatsache, dass er den roten Sektor des Leuchtfeuers von Carraig befährt imponiert ihm nicht besonders. Sieht er doch steuerbord voraus weiße Lichter und wähnt sich so auf richtigem Kurs. Maschinen auf Full ahead , voll voraus, und ordentlich Tidenstrom von achtern fährt er mit voller Fahrt in die Felsen von Rubh`A`Mhaill.

Ob er noch gewahr wurde, dass die weißen Lichter nicht zu Carraig, sondern der nahen Bunnahabhainn-Distillery gehören ist ebenfalls nicht überliefert. Glücklicherweise kommen keine Personen ernsthaft zu Schaden. In der Folgezeit scheitern mehrere Versuche, die Majestic freizuschleppen.

So liegt sie wie Eingangs erwähnt, als vieltausendfach fotografiertes Objekt noch heute dort. Tom Sillis wurde die Befähigung ein Schiff zu steuern für die Dauer von 3 Jahren aberkannt. Manch einem Whiskytrinker wird diese Strafe allzu hart erscheinen –   ist es doch durchaus nachvollziehbar nach den Lichtern einer Distillery zu navigieren, wenn als Alternative nur ein schäbiges Leuchtfeuer zur Verfügung steht.

Hier geht es zur Homepage von Bernd Kirchner, dem maritimen Maler, der auch gern in Geschichten eintaucht.

Ich bedanke mich herzlich bei Bernd Kirchner für die drei schönen Geschichten, die ich an den Weihnachtstagen hier auf meinem Blog vorstellen durfte. Lieber Herr Kirchner, bleiben Sie schön gesund und vielleicht sehen wir uns in 2021 mal persönlich mit einer gemeinsamen Aktion!

Vielleicht auch interessant?

Ein irisches Seemärchen? Sable East Lighthouse