Crime Cruise 2021 – MordsKerl auf MordsTour

Von Dänemark zu den Färöer nach Island und zurück von Rudolf Georg

Crime Cruise 2021 – gespannt folgte ich den Bildern und kleinen Berichten in den Sozialen Medien meines Autorenkollegen Rudolf Georg. Nach seiner Rückkehr fragte ich ihn, ob er Lust hat einen Reisebericht auf Kreuzfahrtautorin zu veröffentlichen und er stimmte begeistert zu.

Auf geht es also zur Crime Cruise 2021 mit Rudolf!

Crime Cruise 2021 – die Anreise

In der Facebook-Gruppe mit dem vielversprechenden Namen „Kriminalistik leicht gemacht“, schwärmte der pensionierte Leiter der Berliner Mordkommission Dr. Manfred Luka­schewski von der Crime Cruise 2019, einem kriminalistischem Erlebnisurlaub auf dem Nordatlantik mit Lesungen bekannter Autoren, Workshops und natürlich interessanten Landausflügen einschließlich des Besuchs eines Gefängnisses auf Island. Mit seiner plastischen Schilderung machte Manfred mir den Mund wässrig, weshalb ich schon bei der Crime Cruise 2020 mitgefahren wäre, wenn es sie denn gegeben hätte. Corona machte auch hier wie in vielen anderen Fällen den Planungen einen Strich durch die Rechnung. Als schließlich feststand, dass die Crime Cruise 2021 durchgeführt werden würde, gab es für mich kein Halten mehr. Spontan buchte ich die Reise, kaum dass ich davon gelesen hatte.

Vom 30. Oktober bis zum 6. November sollte die MS Norröna die Heimat von gut hundert Crime Cruise Komplizen sein. Doch zunächst galt es, zum Schiff zu kommen. Zu nachtschlafender Zeit sammelte am Samstagmorgen ein Doppeldeckerbus diejenigen Teilnehmer, die nicht selbst nach Hirtshals (Dänemark) anreisten, in Hannover, Hamburg und Neumünster ein. Eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft, verbunden durch das kriminalistische Element – Leser, Autoren und Kriminalisten -, lernte sich bereits auf der Anreise zum Hafen kennen. Eng ist gemütlich, und so herrschte von Beginn an gute Stimmung, nicht zuletzt dank einiger „Wiederholungstäter“, die schon bei der vorigen Tour dabei waren.

Crime Cruise 2021 – endlich an Bord!

Foto: Die MS Norröna im Hafen von Hirtshals

Am frühen Abend erreichten wir den Hafen Hirtshals. Dort lag sie, die MS Norröna, eigentlich kein Kreuzfahrtschiff, sondern ein Fährschiff, das der Versorgung der Färöer und Islands dient und Waren und Passagiere dorthin befördert. Zugegebenermaßen ein sehr luxuriöses Versorgungsschiff. Das kombinierte Fracht- und Passagierschiff ist 165 m lang, 30 m breit und verfügt über insgesamt zehn Decks. Es kann knapp 1.500 Fahrgäste an Bord nehmen und 130 Lkw oder 800 Pkw. Obwohl die schiere Größe beeindruckte, war kaum Zeit, sie von der Mole aus auf sich wirken zu lassen. Der Zeitplan musste eingehalten werden, denn schließlich wollte der Kapitän bald ablegen. So fuhren wir mit Rolltreppen auf die Höhe des fünften Decks, um dort erst zum Check-in und dann an Bord zu gehen. Nicht vergessen werden darf an dieser Stelle die Begrüßung durch Felix Schmidt und Rosa Erdmann mit einem Gläschen „Brennivin“, der isländischen Variante des skandinavischen Aquavits, die uns noch häufiger begegnen würde.

Zunächst galt es, die eigene Kabine zu finden und das Schiff zu erkunden. Ich gebe zu, ich habe mich auch nach einer Woche noch manchmal in den langen Gängen verlaufen. Viele beobachteten das Auslaufen von einem der Außendecks aus, während es bereits dämmerte. Anschließend versammelten sich alle im Bordrestaurant „Skansagarður“. Das wirklich große skandinavische Abendbuffet ließ keine Wünsche offen.

Gestärkt und neugierig trafen wir uns anschließend zum Willkommensabend im „Undirhúsið“, dem gemütlichen Café mit Bar und Bordbibliothek. Hier stellte sich das Crime Cruise Team vor, das uns in den kommenden Tagen durch das Programm führen würde.

Crime Cruise 2021 – ein Sonntag auf See

Foto: Blick auf das Meer am Seetag

Nach dem Frühstück genoss ich den Blick über die Weite des Nordatlantik, den die MS Norröna durchpflügte. Der Wind blies kräftig, aber nicht unangenehm. Der Geruch nach Salzwasser und Fisch vermittelte den Duft von Freiheit. Möwen kreischten. Kurs auf die Färöer. Wir passierten die Shetland Inseln auf unserer Backbordseite und entdeckten in der Ferne auf der Steuerbordseite vor Norwegen Bohrinseln.

Um uns auf den geplanten Landgang vorzubereiten, sahen wir einen Film über die Färöer. Später berichtete der langjährige Spiegel-Reporter und Investigativ-Journalist Manfred Ertel von seinen Recherchen in der Barschel-Affäre. Passend hierzu las er aus seinem demnächst erscheinen Polit-Thriller „Die Akte B.“, in dem er Fakten und Fiktion spannungsreich verwoben hat. Locker moderiert wurde dieser Teil wie auch die meisten der folgenden Lesungen von der MDR-Journalistin Katrin Schumacher. Während ich mir erneut die Seeluft um die Nase wehen ließ, nahmen viele an dem ersten von drei Schreibworkshops mit Barbara von den Speulhof teil. Über die Workshops als solche kann ich nichts sagen, aber sie müssen hervorragend gewesen sein, wenn sie rückblickend von den am letzten Tag in Form von Kurzgeschichten präsentierten Ergebnissen betrachtet. Zu Manfreds Vortrag fand ich mich ebenfalls wieder in der Wärme von Undirhúsið ein, wenngleich das Thema und die Bilder des Referats die Krimifans begeisterten, aber nicht wirklich etwas Gemütliches ausstrahlten, im Gegenteil.

Sonntagabend Tatort-Zeit. Folgerichtig sahen wir gemeinsam nach dem Abendessen „Der Tote im Nachtzug“ mit Joachim Król und Nina Kunzendorf. Es war nicht der neueste Krimi aus der Tatort-Reihe, aber einer derjenigen, die auf einem echten Fall von Axel Petermann, dem wohl bekanntesten Fallanalytiker (vulgo: Profiler) Deutschland beruhte. Die Fakten klärte Axel auf, als er seinerzeit bei der Bremer Kriminalpolizei arbeitete. Jetzt standen mit ihm und Manfred zwei echte Kriminalisten den Krimischreibern und -lesern der Crime Cruise Rede und Antwort. Unnötig zu erwähnen, dass sich die Diskussion nicht auf den Film beschränkte.

Crime Cruise 2021 – Montag – Färöer oder lieber doch nicht?

Foto: Bohrinseln vor Norwegen

Der vorangegangene „Tatort-Abend“ war leider durch eine schlechte Nachricht eingetrübt worden: Ein Sturm mit acht Meter hohen Wellen sollte aufziehen, und den wollte der Kapitän umfahren, weshalb der geplante Landausflug auf die Färöer gestrichen wurde. Die MS Norröna lief zwar den Hafen von Tórshavn an, legte kurz vor fünf Uhr morgens jedoch nur für eine Stunde zum Ent- und Beladen an und verließ die Hauptstadt der Färöer wieder, ohne dass wir an Land konnten. Das angekündigte „Umfahren des Sturm“ bedeutete, dass die hohen Wellen nun von vorn kamen und nicht von der Seite. Etlichen unserer Komplizen genügte aber auch diese Erfahrung, um den Tag in ihren Kabinen zu verbringen. Die von Natur aus oder mit medikamentöser Hilfe Robusteren unter uns stemmten sich anfangs auf Deck gegen den Wind, zogen aber bald die Annehmlichkeiten der geschützten Sicht durch die Panoramafenster der „Laterna Magica“, der Bar auf dem zehnten Deck, vor.

Neu ins Programm aufgenommen wurde nun eine Lesung mit Tatjana Kruse. Mit ihrer unnachahmlichen Performance präsentierte sie uns Auszüge aus ihrem Buch „Der Club der toten Sticker“. Es folgten ein Film über Island und eine Lesung mit Gespräch mit Katrin, unter anderem über einen der ältesten Kriminalfälle: „Fuchs, du hast die Gans gestohlen.“ Am Abend folgte eine weitere Lesung von Tatjana aus ihrem jüngsten Buch „Schwund“. Wer gedacht hatte, ihre Darbietung ließe sich nicht steigern, wurde rasch eines Besseren belehrt. Spontan schloss sich eine Ladies Crime Night – LCN an: Die Mörderischen Schwestern Carola Christiansen, Heidi Ramelow und Dorothee Scheurer lasen aus ihren Werken und spendierten anschließend allen Gästen einen Mörderische-Schwestern-Gin aus der Murre-Destille, der eigens zum 25-jährigen Jubiläum des Vereins hergestellt wurde. Der Abend klang bei Live-Musik in der Laterna Magica aus.

Foto: Deck 10 bot gute Ausblicke

Crime Cruise 2021 – Dienstag – Island

Foto: Die Hochebene Fjarðarheiði

Nach einer bewegten Nacht, in der die MS Norröna Wellenberge und -täler durchschnitt, kamen wir nach dem Frühstück in Seyðisfjörður auf Island an. Von Deck aus konnten wir verfolgen, wie der Kapitän sein alles andere als kleines Schiff in dem engen Hafen „einparkte“. Wer bei uns vor schmalen Parkplätzen kapituliert, konnte hier nur vor Neid erblassen. Aber Autofahrer, die sich für versiert hielten, zollten ihm stillschweigend Respekt. Hatte die Gischt bislang nur dafür gesorgt, dass mal mehr, mal weniger Wasser auf den Decks stand, so waren sie nun mit einer dünnen Reif- oder gar Eisschicht bedeckt, weshalb vorsichtige Bewegungen angesagt waren.

Kaum hatten wir nach zwei Tagen auf See wieder festen Boden unter den Füßen, enterten wir drei Busse, mit denen wir ins Landesinnere fuhren. Vorgeschaltet war eine Einreiseprozedur mit Online-Anmeldung und Überprüfung von Ausweis, Impfstatus und Bordkarte durch einen isländischen Grenzer, der es sich mit seinem Laptop in der Bibliothek bequem gemacht hatte.

Über eine schmale schneebedeckte Straße mit vielen Kurven gelangten wir auf die Hochebene Fjarðarheiði, 620 Meter oberhalb von Seyðisfjörður. Dass Winterreifen in Island noch über Spikes verfügen, nahmen wir bei so mancher Spitzkehre oder bei Gegenverkehr mit Beruhigung zur Kenntnis. Die tiefhängenden Wolken erlaubten keine weite Sicht, weshalb wir auf dem Pass nicht ausstiegen. Wir hielten dafür wenig später, um den Gutufoss, den „Dampfwasserfall“, zu besichtigen.

Von dort fuhren wir nach Egilsstaðir, der mit 2.500 Einwohnern größten Stadt im Osten Islands. In der Nähe befindet sich Lagarfljót, ein langgestreckter See, an dem wir entlangfuhren. Nach der Legende und der sehr plastischen Schilderung unserer Reiseführerin Sigrun haust dort der Lagarfljótwurm, sozusagen das isländische Gegenstück zum Ungeheuer von Lochness, das sogar auf YouTube-Videos zu sehen sein soll. Starker Wind und Temperaturen von acht Grad unter Null hielten uns aber davon ab, selbst zu recherchieren.

Stattdessen begaben wir uns zum Snaelfellsstofa Visitor Center am Rande des Vatnajökull Nationalparks. Der Vatnajökull ist der größte Gletscher Islands und außerhalb des Polargebiets auch der größte Europas. Das und noch vieles mehr erfuhren wir in dem Besucherzentrum. Allerdings muss ich einräumen, dass sich so mancher Komplize mehr für die lebenden als für die ausgestopften Tiere Islands interessierte.

Etwas Besonderes erwartete uns nach der Rückkehr. Unter Felix‘ kundiger Führung marschierten wir zu den Klangkörpern von Tvisöngur. Wie alle Strecken war auch dieser Aufstieg mit festem Schuhwerk gut zu bewältigen. Bei den Klangkörpern handelt es sich um vier aneinander gebaute, sich zu den Seiten teilweise öffnende, nach oben durch Halbkugeln abgeschlossene Bauwerke. Ihren Namen verdanken sie der speziellen Akustik in ihrem Inneren, die uns durch einen einheimischen Sänger, der sich selbst auf der Gitarre begleitete, unter Beweis gestellt wurde. Mehrere Lieder auf Deutsch, Englisch und Isländisch sorgten in Verbindung mit dem gut ausgeschenkten Brennevin für die richtige Stimmung. Bei Einbruch der Dunkelheit entzündeten wir Fackeln, mit denen wir den Rückweg ausleuchteten.

Der Abend wurde gekrönt durch eine Lesung und ein Gespräch mit dem färöischen Autor Steintór Rasmussen und seinem Übersetzer Martin Schürholz. Moderiert von Katrin las Steintór zunächst in seiner Muttersprache aus seinem jüngsten Roman „Poesie des Mordens“, anschließend brachte Martin die deutsche Fassung zu Gehör. Steintór ist aber nicht nur ein Autor, der trotz der geringen Kriminalitätsrate seiner Heimat Verbrechen auf den Färöer zu Papier bringt, sondern auch ein bekannter Singer-Songwriter. Sein anschließendes Live-Konzert in der Laterna Magica war deshalb der Höhepunkt des an Highlights gewiss nicht armen Tages. 

Foto: Der „Dampfwasserfall“

Fortsetzung folgt … am 19.12.21 hier im Blog! Dann gibt es weitere Eindrücke von Island und endlich auch den Färöer -Inseln! Und natürlich von der Crime Cruise 2021 an Bord!

Über den Autor Rudolf Georg

Foto: Rudolf und die anderen MordsKerle
Rudolf Georg ist das Pseudonym eines Stuttgarter Rechtsanwalts, der neben seinem Beruf das Schreiben für sich entdeckt hat. Geboren am Bodensee, aufgewachsen im Rheinland, führte ihn sein Beruf in die Schwabenmetropole. Durch seine berufliche Tätigkeit kennt er nicht nur bewegende menschliche Schicksale, sondern auch die alltäglichen Probleme seiner Mitmenschen. Stets interessieren ihn die Schicksale hinter den Fällen. Die so gewonnenen Erkenntnisse verarbeitet er in humorvoller Form, in Satiren, in Kurzkrimis wie „Fit in Social Media“, oder in Kriminalromanen wie „Sünde des Schweigens“ (ISBN 978-3-8392-2476-2).
Rudolf Georg ist eines von vier Gründungsmitgliedern der „MordsKerle“ und Mitglied im Syndikat, dem Verein für deutschsprachige Kriminalliteratur.
Die Crime Cruise wird von Felix Schmidt organisiert und von der Smyril Line mit Unterstützung des Syndikats und der Mörderischen Schwestern durchgeführt. Hier geht es zur Homepage der Crime Cruise.
Alle Fotos und der Text wurden mir von Rudolf Georg für diesen Blogbeitrag zur Verfügung gestellt.

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