Ausgang Deck 3 – Das Schiff ist weiblich – die Kolumne! Folge 9

Ausgang Deck 3

Foto: Sandra geht mit dem Projekt „Rabenmütter“ neue Wege

Ausgang Deck 3 – Sail away – Corona kam, die Kreuzfahrt ging! Und somit auch mein Geschäftsmodell, welches aus meiner Leidenschaft für Frauen in Führungspositionen auf Schiffen gewachsen war. In meinem Leben werden Frauen weiterhin eine Rolle in spielen. Ich mag einfach Frauen mit Geschichten, Charakter und einzigartigen Wegen. Diesmal allerdings unter dem Schwerpunkt „Rabenmütter“. Und zum Abschied meine letzte Geschichte, meine Ausstiegsgeschichte vom Bordleben, für Euch.

Rums! In hohem Bogen flog die Tür direkt vor meiner Nase zu. Der Staff-Kapitän hatte wieder einmal seinem Temperament freien Lauf gelassen. Mein Herz stand für einen Moment still. Vorsichtig sah ich nach rechts und nach links, ob jemand den Vorfall bemerkt hatte. Zu meinem Erstaunen sah ich den Kapitän, nur zehn Meter von mir entfernt. Er lächelte. „Kein Problem“, schien sein Blick zu sagen, „so ist er nun mal.“ Was war passiert? Mein Vertrag als Human Resources Manager an Bord hatte vor vier Wochen begonnen. Es war mein erster Vertrag auf diesem Schiff und es sollte mein letzter sein. Was ich damals noch nicht wusste.

Ich saß in meinem Büro, wie jeden Morgen um neun Uhr, um meine E-Mails zu checken. Da die Büros auf Schiffen immer sehr klein sind und selten Tageslicht haben, war meine Tür immer offen. Gerade als Personalleiterin empfand ich es als wichtig, die Open-Door-Mentalität an Bord den Führungskräften nicht nur nahezulegen, sondern sie auch zu leben.

Eine halbe Stunde später kam ein gut aussehender Offizier vorbei. Leicht grau melierte, kurze Haare, groß und braun gebrannt – sehr charmant. Er klopfte an meine Tür und stellte sich sogleich mitten in mein kleines Büro. „Hallo, schöne Frau, da bin ich“, sagte er und lächelte mich an. „Wollen wir einen Kaffee trinken gehen, um uns besser kennenzulernen?“ Prinzipiell bin ich ein spontaner Mensch und freue mich über jede Einladung zum Kaffeetrinken. An diesem Tag hatte ich allerdings viel zu tun und sagte ihm freundlich, aber bestimmt, dass ich das gern auf einen anderen Tag verschieben wollte. Irgendwie fühlte ich mich unwohl in seiner Gegenwart. Dass dies mein erster Punkt auf seiner Abschussliste war, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Die Zeit ging ins Land und es folgten kleine Aufmerksamkeiten wie Blumen, eine Tafel Schokolade, eine Einladung zum Abendessen. Ich bedankte mich immer brav, ließ jedoch klar und deutlich erkennen, dass ich an nichts weiter als an einer guten, professionellen Zusammenarbeit interessiert war.

Ausgang Deck 3 – Vom Halten der Balance

Als Personalleiter ist man an Bord für alle Belange der Crew zuständig. Ein Techtelmechtel mit dem Staff-Kapitän, der die rechte Hand des Kapitäns ist und mein Ansprechpartner in disziplinarischen Fragen, kam für mich nicht infrage. Ich wollte neutral bleiben. Dennoch konnte ich spüren, dass ich vorsichtig sein musste. Das Eis in Branchen, die sehr männerlastig sind, ist dünn. Männer haben hier klare Regeln,  entweder du spielst mit oder du bist raus. Ich versuchte, die Balance zu halten.

Die Zeit verging und wir hatten etliches miteinander zu klären. Angefangen von einer Schlägerei im Restaurant, bei der wir völlig konträre Auffassungen über die erforderlichen disziplinarischen Maßnahmen vertraten (fristlose Kündigungen oder Abmahnungen?) bis hin zur Organisation einer Crewparty.

Es war Karnevalszeit und wir waren in der Karibik. Das Crew Welfare Commitee wünschte, für die Besatzung eine Karnevalsparty zu organisieren. Gesagt, getan. Ein Datum wurde festgelegt, ebenso das Budget und wer für was verantwortlich war. Da die Aufgabe „Wer räumt danach auf?“ immer sehr mühselig zu besetzen ist und ich die Mooringstation dem Deck Departement wieder sauber übergeben wollte, meldete ich mich hierfür.

Ausgang Deck 3 – Crew-Party ohne Alkohol?

Mit Plänen für allen Vorbereitungen und Abläufe ging ich auf die Brücke zu dem wöchentlichen Jour Fix mit dem Staff-Kapitän und trug ihm die Details vor. Als ich ihm die Getränkebestellung überreichte, sagte er zu mir: „Die Crewpartys, die ich freigebe, sind ohne Alkohol. Denken Sie an unsere Policy.“ Mit fiel die Kinnlade herunter. Ja, ich kenne die Seefahrt und das Thema Alkohol. Es ist nicht immer einfach, um nicht zu sagen, es ist grenzwertig. Aber erwachsenen Menschen, die sieben Tage die Woche arbeiten, eine Kindergeburtstagsparty mit Brause und Wasser zu organisieren, das ging zu weit. Ich sagte an der Stelle nichts weiter und ging zum nächsten Punkt über. Nachdem unser Meeting beendet war, überlegte ich mir sorgfältig meinen nächsten Schritt. Nur nichts Unüberlegtes tun, dachte ich und pagte den Kapitän mit der Bitte um persönliches Gespräch an. Ich erzählte ihm von den Annäherungsversuchen, den Fehlent-scheidungen und dem persönlichen Gerangel.

Die Krönung war nun die Non-Alcohol-Party, die ich so nicht organisieren würde. Ich legte ihm die Vorkommnisse der letzten vier Wochen Stück für Stück dar. „Natürlich gibt es Bier und Wein für die Mitarbeiter, die off duty sind. Die Verantwortung dafür liegt bei jedem Mitarbeiter selbst.“ Bingo! Treffer – versenkt. Der Staff-Kapitän, vom Kapitän darüber informiert, dass dieser das so freigegeben hatte, kochte vor Wut.

Die Party stieg, alle hatten Spaß. Die karibische Sonne ging unter und eine frische Meeresbrise wehte mir um die Nase. Ich stand mit meinem Glas Wasser und meiner Uniform mitten im Getümmel und freute mich, dass alles so gut lief und die Mitarbeiter entspannen konnten. Als der Staff-Kapitän vorbeikam, ignorierte er mich. Es war gegen vier Uhr am Morgen, als die Party vorbei war. Das Housekeeping Department und ich fingen an, die Mooringstation sauberzumachen. Als wir fertig waren, genehmigte ich mir vor dem Zubettgehen mit dem Blick auf das Wasser ein Glas Wein.

Als ich fertig war, kam einer unserer Security Officers zu mir und sagte: „Ich habe eine Anweisung vom Staff-Kapitän, dich mit ins Hospital zu nehmen. Alkoholkontrolle.“ Danach ging alles ziemlich schnell. 0,0 Promille ist im Dienst laut den Richtlinien vorgeschrieben. Somit war mir klar, dass ich wegen vom Alkohol im Dienst fristlos entlassen werde. Er hatte gewonnen. Am nächsten Morgen bekam ich mein „Dismissal“ vom Kapitän und dem Schiffsrat ausgesprochen und durfte noch am gleichen Tag absteigen. Einen Tag später flog ich nach Hause, noch völlig unter Schock stehend.

Mein Fazit

Später bekam ich ein Jobangebot und zog mit Sack und Pack in die Schweiz, in der ich von Land aus die Personalarbeit für die Kreuzfahrtschiffe nach vorn bringen konnte. Bis zur Geburt meiner Tochter, vier Jahre später, habe ich dies mit Herzblut getan.

Mein Fazit aus diesem Lebensabschnitt: Bleibe dir immer treu. Schau in den Spiegel, wenn du eine Entscheidung triffst. Du wirst gesehen und wahrgenommen – unabhängig vom Geschlecht. Kommuniziere. Tausche dich aus. Halte den Kontakt zu allen Menschen in deinem Arbeitsbereich. Zeige Courage und bleibe authentisch. Jeder Fehler hat etwas Gutes. In dem Fall war es mein endgültiger Abschied vom operativen Schiffsleben.

Nachtrag: Der Staff-Kapitän wurde nach seiner Fahrenszeit mit einem „no return“ entlassen. Er kaufte sich danach ein Grundstück auf einer karibischen Insel, auf der er wahrscheinlich heute noch lebt. Auf einer meiner Dienstreisen habe ich ihn noch einmal gesehen, als er ein Carepaket mit Essen von Bord entgegennahm. Er sah abgemagert aus.

Ahoi, Eure Sandra

Liebe Sandra, ein ganzes Jahr hast Du meine Kolumne mit Deinen Erfahrungen als „Seefrau“ bereichert, dafür möchte ich Dir von Herzen danken! Ich weiß, das viele meiner Leserinnen Dein Thema unendlich spannend fanden. Dieses Jahr ist von sehr vielen Veränderungen geprägt und Du bist ähnlich wie ich und suchst die Chance in der Krise! Für Deinen neuen Weg wünsche ich Dir viel Erfolg und da ich auch starke und mutige Frauen mag, bleiben wir ja in jedem Fall verbunden! 🙂

Hier finder Ihr viele Informationen über Sandras neues Projekt „Rabenmütter“.

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1 thought on “Ausgang Deck 3 – Das Schiff ist weiblich – die Kolumne! Folge 9

  1. Oliver says:

    Liebe Sandra, du schreibst mir aus dem Herzen… ich kenne das, wenn eine Crewparty organisiert wird holt man alle die man loswerden möchte einfach morgens zum Alc-Test… so ist schon manche Kreuzfahrtkarriere beendet worden, auch meine! Danke, sehr schön geschrieben!
    Darauf einen Gin Tonic, remember?!

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