„Passat“ im Juli 2016: Von der Waterkant zur Waterfront!

Die Viermast-Stahlbark „Passat“ im Wandel der Zeit!

Die „Passat“ lief einst als einer der legendären Flying P-Liner der Reederei F. Laeisz 1911 bei Blohm & Voss vom Stapel. Sie diente zunächst als Frachtsegler zwischen Europa und Südamerika und transportierte dann vor allem Weizen zwischen Australien und Europa. In den Fünfzigerjahren wurde sie bevorzugt als Frachtsegelschulschiff zwischen Europa und Südamerikas Ostküste eingesetzt. Insgesamt umrundete die „Passat“ neununddreißigmal Kap Hoorn. 1957 wurde das Schiff wegen sinkender Rentabilität außer Dienst gestellt. 1959 kaufte es die Hansestadt Lübeck und seitdem liegt das stolze Schiff in Travemünde als Wahrzeichen fest vor Anker. Seit 1978 steht es unter Denkmalschutz. Soweit zu einigen Fakten.

Arbeitsalltag an Bord der Passat

Ich kenne die „Passat“ seit über 40 Jahren und war schon oft an Bord. Früher mit der Schulklasse oder den Eltern, in jüngerer Zeit feierte ich dort 2005 meine Hochzeit und vor zwei Jahren gab ich eine Lesung im Veranstaltungsraum Luke II. Am 17.07.2016 führte mich jedoch ein Auftrag von schiffsjournal.de an Bord.

Ich traf mich mit Manfred Keim, der dort im Auftrag des Vereins „Rettet die Passat e. V.“ Schiffsführungen durchführt und auch die Aufsicht über das Schiff ausübt. Das merkte ich gleich, als wir unser Gespräch führten, tief im Bauch des Schiffes in einem kleinen Salon, den alte Holzmöbel zierten und unendlich viele Bücher über Schiffe. Herr Keim musste nämlich zweimal das Gespräch unterbrechen, um den Typhon zu bedienen, da vorbeischippernde Schiffe die „Passat“ grüßten und Herr Keim natürlich den Gruß erwidern wollte. Es waren weniger die Fakten rund um das schöne, alte Schiff als die Geschichten und Mythen, die mich interessierten und die es nicht unbedingt im Internet nachzulesen gab. Dennoch fand ich es interessant, dass Herr Keim mit weiteren acht Kollegen insgesamt rund 250 Führungen im Jahr absolviert. In diesem Jahr seien es weniger, verriet er, aufgrund der Baumaßnahmen der „Priwall-Waterfront“, auf die ich später noch näher eingehen werde, können momentan keine Reisebusse den Priwall anfahren.

Von der Waterkant zur Waterfront!

Die Baumaßnahmen hatten mich an diesem Tag schon selbst überrascht. Ich war mit der kleinen Fähre „Travemünde“ unterhalb der Mole übergesetzt und bestaunte bei Ankunft auf dem Priwall die sich im großen Stil ausdehnenden Bauarbeiten. Es war nicht möglich, den bekannten, kurzen Weg am Ufer zur „Passat“ zu nehmen, ich musste einen ca. 2 Kilometer weiten Umweg um die Baustelle herum nehmen, und das bei 30 Grad im Schatten.

Herr Keim verriet mir im Gespräch die zwei größten Gerüchte um das Schiff, welche Gäste immer wieder von sich aus ansprächen, wenn sie an Bord zu einer Besichtigungstour kommen. Erstens sei der Rumpf der Passat immer schon aus Stahl gewesen, nie aus Holz und zweitens sind die Passat und die gesunkene Pamir gar keine Schwesterschiffe, sie gehören lediglich beide der Familie der Flying P-Liner an. Dies seien laut Herrn Keim immer wieder häufig auch Fragen der Gäste auf seinen Führungen. Die „Passat“ dient heute neben ihrer Museumsfunktion (speziell in Luke I befindet sich ein interaktives Museum und man kann über viele Treppen wirklich bis ganz hinunter in den Bauch des Schiffes gelangen) auch als Veranstaltungsort und im Sommer als Jugendherberge für Schulklassen.

Eine Nacht auf der Passat?

Inzwischen berichtete Herr Keim, bietet das Schiff sogar eine eigene Suite, die man für 113,42 Euro pro Nacht mieten kann und die neben einem Bad und WC sogar eine eigene, kleine Küche besitzt. Ich lehnte mich zurück und begann, von einer Nacht an Bord in genau dieser Suite zu träumen. Außerdem kann an Bord auch standesamtlich geheiratet werden. In den Jahren 1997 und 1998 wurde das zwar noch schwimmfähige, aber manövrierunfähige Schiff in die Werft nach Lübeck geschleppt und für 7,3 Mio. DM renoviert. Ich erinnerte mich an den Tag, stand ich doch damals staunend in Travemünde am Ufer und es war ein Gänsehautmoment, als sich die „Passat“ zu bewegen begann. Momentan, verriet man mir, seien keine größeren Renovierungsarbeiten geplant.

Die Legende Kapitän Claus

Viele spannende Geschichten ranken sich um den legendären Kapitän Claus, der sowohl die „Pamir“, als auch die „Passat“ steuerte. Angeblich stellte er an der Reling immer verkehrt herum Schuhe auf, als Schutz vor den bösen Geistern. Auch opferte er seinen Hund Bobby Neptun in einer Sturmlage. Am Tag danach war die See glatt. Oder die nette Geschichte, in der er, ein Geizkragen, sehr billig Hühner an Land einkaufte für eine Fahrt um Kap Hoorn herum. Sie stellten sich aber schon im Ärmelkanal als alte Viecher heraus, die nur noch zu Suppe verarbeitet werden konnten. Aus den Worten von Herrn Keim klang so viel Leidenschaft, als er diese Dinge augenzwinkernd schilderte, dass ich für einen Moment das Gefühl hatte, ich säße diesem Kapitän Claus selbst gegenüber. Zugegeben, mein Gesprächspartner sah auch aus wie man sich einen echten Seebären vorstellt. Dann kehrte er zurück in die jüngere Vergangenheit und erzählte von der kürzesten Hochzeitszeremonie an Bord, die aufgrund von aufkommendem Regen nur drei Minuten dauerte. Oder von der „Passattorte“, die ein Standesbeamter spendierte und die aus Fischbrötchen bestand.

Der Verein „Rettet die Passat e.V.“

Nochmals sprach er auch über das große Ziel seines Vereins „Rettet die Passat e. V.“, welches die Erhaltung des Schiffes sei und seine weitere Standortpositionierung in Travemünde. Er lächelte zufrieden, als ich ihm berichtete, dass ich schon lange Mitglied in seinem Verein bin und dann berichtete er eher sorgenvoll von dem aktuellen Neubauprojekt „Priwall-Waterfront“. Ich persönlich gab an, darin eine große Chance für das Schiff zu sehen, doch mein Gesprächspartner schien mir eher skeptisch.

Das Projekt Waterfront

Die Planet Haus AG plant gemeinsam mit der Sparkasse zu Lübeck direkt an der Trave und in unmittelbarer Nähe des Schiffes den Bau von zahlreichen Promenaden-, Passat- und Dünenvillen, die als Ferienwohnungen vermietet werden sollen. Darüber hinaus werden auch Gastronomiebetriebe, ein Beachclub, ein Tagungszentrum und Geschäfte entstehen. Im September 2015 fand der Spatenstich durch Investor Sven Hollesen statt. Die Bauten an der Promenade sollen Mitte 2017 stehen, der Abschluss der gesamten Baumaßnahme ist für Ende 2018 vorgesehen. Diesen umfangreichen Baumaßnahmen hatte ich auch meinen Umweg von 2 Kilometern von der Fähre zu verdanken. Die direkte Zuwegung soll jedoch in Kürze schon wieder freigegeben werden. Die „Passat“ würde später den Mittelpunkt dieses neuen Viertels bilden, aber bisher lägen noch keine weiteren Planungen der weiteren Einbindung der Hansestadt Lübeck dazu aktuell vor. Gemeinsam blickten wir später von Deck aus hinüber zur historischen Skyline von Travemünde und versuchten uns dazu den modernen Gegensatz auf dem Priwall vorzustellen. Als alter Lübecker kann ich die Skepsis meines Gesprächspartners nun teilen. Es wird sich zeigen, welches neue Abenteuer dieses für die schöne, alte Viermastbark bereithalten wird. Nach diesem netten und aufschlussreichen Gespräch, für welches ich Manfred Keim herzlich danke, schlenderte ich für Fotoaufnahmen noch ein wenig über und unter Deck.

Mein Fazit:

Schließlich erreichte ich mittschiffs einen kleinen, gastronomischen Stand, der alkoholfreie Getränke und eine Auswahl Fischbrötchen anbot. Betrieben wird er von der Seglermesse, einem Traditionslokal auf dem Priwall. Ich kam mit dem netten Verkäufer bei dem Verzehr einer Apfelsaftschorle ins Gespräch und erfuhr, dass auch diese der Waterfront weichen wird, aber an anderer Stelle wiedereröffnet werden wird. Als ich mich wieder auf den Rückweg quer durch den Wald auf dem Priwall zur Fähre machte, dachte ich noch lange über die „Passat“ und ihren Wandel in und mit der Zeit nach, eben von der Waterkant zur Waterfront.

Einige Daten und Informationen zur Viermastbark Passat:

Stapellauf: 20.09.2011

Bauwerft: Blohm & Voss, Hamburg

Indienststellung: 24.12.2011

Länge: 115 Meter, Breite 14,4 Meter

Maschinenleistung: 900 PS

Besatzung: 35 Mann

Anzahl Masten: 4, Anzahl Segel: 34

Geschwindigkeit unter Segeln: Maximal 17,4 kn

Öffnungszeiten: Anfang April bis Ende Oktober, detaillierte Informationen auf http://ss-passat.com/start.html, auch zur Anmietung von Räumlichkeiten.

Eintrittspreise: Erwachsene 4,00 Euro, Kinder und Jugendliche (6-18 Jahre): 2,00 Euro (Stand Juli 2016)